Recht und Menschenrechte schlagen Alarm; 320 Universitätsstudenten nach Verhaftung aufgrund erfundener Anschuldigungenmit Anwaltsverbot und Geheimhaltungsbeschluss
Bei zeitgleichen Razzien in 47 Provinzen mit Schwerpunkt in Gaziantep wurden am Morgen des 6. Mai 208 junge Menschen, darunter überwiegend Universitätsstudenten, festgenommen. Die meisten der Festgenommenen sind Berichten zufolge in ihren Zwanzigern, und es wurden Studenten aus allen Teilen der Türkei ohne Unterschied zwischen Männern und Frauen festgenommen. In den folgenden Tagen stieg die Zahl der festgenommenen Studenten auf 320.
Den Vorwürfen zufolge gehören zu den Gründen für die Festnahmen völlig legitime, verfassungsmäßig garantierte Aktivitäten wie „Hausbesuche“, „Auslandsstudium“, „Teilnahme am Erasmus-Programm“ und „Familienbesuche“. Viele der festgenommenen Studenten stammen aus Familien, gegen deren Eltern bereits zuvor ermittelt wurde.
Eine neue Art von Straftat: „Warum sind Sie ins Ausland gereist?“
Juristen und Menschenrechtsaktivisten weisen darauf hin, dass die Sicherheitsbehörden bei der Definition von Straftaten zu weitreichenden Interpretationen greifen. Als eines der jüngsten Beispiele wird angeführt, dass die Frage „Warum sind Sie ins Ausland gereist?“ zum Gegenstand von Verhören geworden ist. Auffällig ist auch, dass unter den Gründen für die Festnahmen Aktivitäten genannt werden, die unter das Recht auf freie Meinungsäußerung fallen, wie die Teilnahme am Erasmus-Programm, ein Auslandsstudium, ein Besuch im Ausland oder der Besuch von Familienangehörigen.
Registrierung, Überwachung und Festnahmen während der Prüfungszeit
Es wird behauptet, dass die Studierenden seit einiger Zeit überwacht und insbesondere aufgrund ihrer familiären Herkunft registriert worden seien. Darüber hinaus fiel die Operation in die Prüfungszeit an den Universitäten, was für viele Studierende zu einer Unterbrechung ihres Studiums führte. Juristen bezeichnen diese Vorgehensweise als willkürlich und unverhältnismäßig und sehen darin eine Verletzung vieler Grundrechte, insbesondere des Rechts auf Bildung.
24-stündiges Besuchsverbot für Anwälte und eingeschränkter Zugang zu den Akten
Mit den nach der Operation getroffenen Entscheidungen wurde den inhaftierten Personen ein 24-stündiges Besuchsverbot für ihre Anwälte verhängt. Darüber hinaus wurde der Zugang der Anwälte zu den Akten eingeschränkt. Diese Entscheidungen verstoßen eindeutig gegen die Verfassung der Republik Türkei und gegen internationale Verträge, denen wir beigetreten sind. Diese Situation hat sowohl aus innerstaatlicher als auch aus völkerrechtlicher Sicht zu schwerwiegenden Vorwürfen von Rechtsverletzungen geführt.
Artikel 36 der Verfassung garantiert das Recht auf ein faires Verfahren, während Artikel 19 das Recht auf Freiheit und Sicherheit der Person festschreibt. Das Recht einer inhaftierten Person auf eine vertrauliche und geheime Konsultation mit ihrem Anwalt darf nur unter sehr begrenzten Bedingungen, durch richterliche Entscheidung und vorübergehend eingeschränkt werden. Die Artikel 147 und 154 der Strafprozessordnung (CMK) enthalten ebenfalls klare Bestimmungen zu diesem Thema. Gemäß den Artikeln 147 und 154 der Strafprozessordnung (CMK) kann das Recht von Verdächtigen auf eine vertrauliche Einzelunterredung mit ihrem Rechtsanwalt nur durch richterliche Entscheidung unter bestimmten Voraussetzungen vorübergehend eingeschränkt werden. Darüber hinaus stellt die Behinderung des Rechts auf Verteidigung nach dem Rechtsanwaltsgesetz einen Angriff auf die Rechtsordnung selbst dar.
Das Verbot von 24-stündigen Besuchen von Rechtsanwälten bei inhaftierten Personen, die Verweigerung des Zugangs der Verteidiger zu den Akten und die Geheimhaltung der Gespräche beeinträchtigen das Recht auf ein faires Verfahren unmittelbar. Im Rahmen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und der Verfassung der Republik Türkei verstoßen solche Praktiken sowohl gegen innerstaatliches Recht als auch gegen internationale Verträge.
Aus einigen Haftanstalten werden Folter und Misshandlung gemeldet, doch aufgrund des Zugangsverbots für Anwälte können diese Vorwürfe nicht untersucht und dokumentiert werden. Juristen warnen, dass Personen, die ohne Anwalt verhört werden, Misshandlungen ausgesetzt sind.
Diejenigen, die während des sogenannten Putsches vom 15. Juli „Kinder“ waren, werden heute des Terrorismus beschuldigt
Viele der inhaftierten Jugendlichen waren am 15. Juli 2016 noch Kinder, doch heute werden sie wegen „Verbindungen zum Terrorismus“ angeklagt. Es wird behauptet, dass die Festnahmen aus indirekten Gründen durchgeführt wurden, beispielsweise weil Familienangehörige in der Vergangenheit durch Dekrete (KHK) aus dem Staatsdienst entlassen worden waren. Unter den Festgenommenen sollen sich auch schwer kranke Personen befinden.
Insbesondere nach dem sogenannten Putschversuch vom 15. Juli wurde das Justizsystem durch die politische Macht neu gestaltet und politisiert, die Entlassung vieler qualifizierter und kompetenter Richter und Staatsanwälte und deren Ersetzung durch völlig unerfahrene und unfähige Personen sowie einige Probleme und Unklarheiten in den Rechtsvorschriften dazu geführt, dass in der Türkei das Recht und die Menschenrechte mit Füßen getreten werden.
Das Recht auf Verteidigung, eines der Grundpfeiler der Rechtsstaatlichkeit, wurde durch die Politisierung des Rechts durch die politische Macht vollständig ausgehöhlt und durch die Anweisungen einzelner Personen in eine ausweglose und unsichere Lage gebracht. In einem demokratischen Land ist das Recht auf Verteidigung umso stärker, je stärker das Rechtssystem ist.
„Das ist eine Hexenjagd“
Kritisiert werden auch die Anschuldigungen, die ohne ein offenes, auf Beweisen basierendes Gerichtsverfahren über die Bildschirme verbreitet werden, sowie die Lynchjustiz, die durch die Medien betrieben wird. Juristen weisen darauf hin, dass die Unschuldsvermutung eindeutig verletzt wird und Personen in der Öffentlichkeit als schuldig erklärt und diskreditiert werden.
Experten bezeichnen den aktuellen Prozess als „keine juristische, sondern eine politische Hexenjagd“ und erklären, dass solche Vorgehensweisen einen schwarzen Fleck in der Geschichte der Justiz hinterlassen werden.
Auch internationales Recht wird verletzt
Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) garantiert jedem das Recht auf ein faires Verfahren, während Artikel 3 Folter und Misshandlung ausdrücklich verbietet. Auch in der wegweisenden Entscheidung Salduz/Türkei des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) wird betont, dass der Zugang zu einem Anwalt vom ersten Moment der Festnahme an ein absolutes Recht ist. Die Warnung, dass Personen, denen kein Anwalt zur Verfügung steht, Folter und Misshandlung ausgesetzt sind, wurde im internationalen Recht wiederholt ausgesprochen.
Gründe für die Inhaftierung sorgen für Diskussionen
Als Grund für die Operation wird die „Mitgliedschaft in der FETÖ“ angegeben, doch einige der Inhaftierten sollen im Ausland studiert, am Erasmus-Programm teilgenommen, Familienbesuche oder Hausbesuche gemacht haben. Die meisten Verdächtigen stammen aus Familien, gegen die bereits zuvor ermittelt wurde. Dies hat zu Kritik geführt, dass die Vorwürfe auf persönlichen Aktivitäten und familiären Verbindungen beruhen. Die Maßnahmen haben in Rechtskreisen und in der Öffentlichkeit große Resonanz gefunden. Zahlreiche Juristen und Menschenrechtsverteidiger sind der Ansicht, dass das Verbot von Anwaltskontakten und der Zugang zu den Akten das Recht auf Verteidigung schwächen und die Betroffenen Misshandlungen aussetzen. Um einen fairen Prozess und den Schutz der Grundrechte zu gewährleisten, müssen diese Einschränkungen unverzüglich aufgehoben werden.
Die Anklage von Hunderten von Jugendlichen wegen „terroristischer Aktivitäten“ unter Berufung auf die Ausübung ihrer verfassungsmäßigen Rechte wie Bildung, Reisefreiheit und soziales Leben hat in der Öffentlichkeit tiefe Besorgnis ausgelöst. Die Missachtung rechtlicher Garantien, die Nichtbeachtung der Unschuldsvermutung und die Willkür des Verfahrens stellen einen schweren Schlag für die Unabhängigkeit der Justiz und den Rechtsstaat dar.
Keine Beweise, kein offenes Verfahren, kein Recht auf Verteidigung
Ohne ein offenes, auf Beweisen basierendes Gerichtsverfahren sorgen Anschuldigungen in den Medien und Lynchjustiz durch die Medien für Empörung in der Öffentlichkeit. Juristen weisen darauf hin, dass die Verurteilung von Menschen, bevor sie überhaupt vor Gericht gestellt wurden, gegen die Unschuldsvermutung verstößt und das Ansehen dieser Personen in der Gesellschaft schädigt.
Dieser Prozess wird als „nicht rechtliche, sondern politische Hexenjagd“ bezeichnet. Die Verletzung der Grundrechte der Inhaftierten, die Behinderung ihres Rechts auf Verteidigung und die mangelnde Transparenz der Verfahren geben Anlass zu der Warnung, dass dies als „schwarzer Fleck“ in die Geschichte der Justiz eingehen könnte.
Im Sinne der Rechtsstaatlichkeit müssen unverzüglich Maßnahmen ergriffen werden
Die derzeitigen Praktiken gefährden nicht nur die Legitimität einzelner Personen, sondern das gesamte Justizsystem. Daher müssen alle Hindernisse für die Konsultation der Inhaftierten durch ihre Anwälte unverzüglich beseitigt, die Akteneinsicht gewährt und die Vernehmungen in Übereinstimmung mit den Rechtsvorschriften und Verfahrensregeln durchgeführt werden.
Andernfalls würde jeder rechtswidrige Vorgang nicht nur die Menschenrechte, sondern auch den sozialen Frieden beeinträchtigen.
Redaktion