Die Spuren der Folter beseitigen

Die Spuren der Folter beseitigen

Als er den ersten Schlag erhielt, war er mehr fassungslos als schmerzhaft. Bis zu diesem Moment hatte er noch Hoffnung gehabt; er glaubte an die Würde des Menschen, daran, dass das Leben irgendwann ein Ende haben würde, dass es eine Grenze gab, die nicht überschritten werden durfte. Aber die Handschellen wurden schwerer, die Schläge auf seinen Rücken trafen nicht nur seinen Körper, sondern auch seine Seele.

Mit einem Schlag veränderte sich die ganze Welt. Die Gesichter der Menschen strahlten keine Sicherheit mehr aus. Das Öffnen einer Tür, das Nahen von Schritten bedeutete nicht mehr Leben, sondern Bedrohung. Die Welt würde nie wieder ein freundlicher Ort sein.

Mit einem Schlag war nicht nur seine Haut verletzt worden, sondern auch sein Glaube an die Menschheit. An diesem Tag begriff Jean Améry: Folter war nicht die ewige Verstümmelung des Körpers, sondern der Seele eines Menschen. [1]

Auch heute, im fortgeschrittenen 21. Jahrhundert, ist Folter überall auf der Welt noch immer eine bittere Realität. In geheimen Zellen, auf Schlachtfeldern und in Verhörräumen werden Menschenrechte systematisch verletzt.

Folter verletzt nicht nur den Einzelnen, sondern auch ganze Gesellschaften zutiefst und sät Angst, Schweigen und Ungerechtigkeit.

Folteropfer tragen nicht nur die Wunden ihres Körpers, sondern auch die tiefe Ungerechtigkeit, die ihnen vor dem Gesetz widerfahren ist. Denn oft sind die Folterer und die Justiz, die sie zur Rechenschaft ziehen müsste, Teile desselben Systems.

Zuerst werden sie körperlichen Schmerzen ausgesetzt, dann prallen sie gegen die Mauer der Gesetzlosigkeit. Sie müssen ihre eigenen Wunden beweisen und sich an ein System wenden, das ihr Leid leugnet, um es zu belegen. Folter findet nicht nur in Zellen statt, sondern hallt manchmal auch in den stillen Sälen der Justiz wider.

Aus diesem Grund hat die Vereinten Nationen den 26. Juni zum „Tag der Unterstützung für Opfer von Folter“ erklärt. Dieser besondere Tag ist ein weltweiter Aufruf, sich gegen jede Form von Folter zu stellen und den Opfern eine Stimme zu geben. Die Abschaffung der Folter ist ein entscheidender Schritt, um den Opfern ihr Recht auf Wiedergutmachung und Rehabilitation zu gewähren.

Der heutige Tag ist eine Gelegenheit, das Licht der Menschenrechte noch stärker gegen die dunklen Spuren der Folter zu richten. Diese Verantwortung trägt nicht nur die Opfer, sondern die gesamte Menschheit.

Heute beginnt die Verantwortung jedes Einzelnen von uns damit, zu erkennen, dass Folter nicht nur eine Schande der Vergangenheit ist, sondern auch heute noch Realität. Nicht schweigen, nicht wegsehen, nicht vergessen lassen…

Jede Stimme, jeder Schritt, jede kleine Unterstützung ist eine große Herausforderung für die Folter.

Quellen:

[1] Jean Améry, Folter: Anatomie eines Verbrechens (Jenseits von Schuld und Sühne).

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