Weiterdenken und weiterschreiben, während Stimmen zum Schweigen gebracht werden
Heute, am 3. Mai, ist der Welttag der Pressefreiheit.
Im Jahr 1993 erklärte die Generalversammlung der Vereinten Nationen, dass der Schutz der Pressefreiheit zu den Menschenrechten gehört.
Seitdem wird dieser Tag auf der ganzen Welt begangen, um an die Bedeutung der Pressefreiheit zu erinnern.
Doch heute scheint das Wort „feiern“ im Zusammenhang mit diesem Tag ein Fremdwort zu sein.
Wir feiern nicht, wir erinnern uns nur.
Wir können uns nur erinnern.
Denn in dem Zeitalter, in dem wir leben, brauchen wir die Erlaubnis, um überhaupt von Freiheit zu sprechen.
Hunderte von Journalisten werden jedes Jahr unterdrückt, nur weil sie die Wahrheit suchen, nur weil sie das Recht der Öffentlichkeit auf Information verteidigen.
Sie werden zum Schweigen gebracht, inhaftiert, vor Gericht gestellt und zu Strafen verurteilt.
Der Journalismus ist zu einem Hemd des Feuers geworden.
Diejenigen, die dieses Hemd tragen, müssen akzeptieren, dass sie von Anfang an den Preis dafür zahlen.
Überall auf der Welt gibt es Menschen, die inhaftiert werden, nur weil sie Fragen stellen.
Es gibt Menschen, die gezwungen sind, im Exil zu leben, nur weil sie schreiben.
Und jedes Jahr gibt es Journalisten, die ihr Leben verlieren, weil sie sich weigern, ihre Feder zum Schweigen zu bringen.
Der jüngste Bericht von Reporter ohne Grenzen zeigt uns ein klares Bild:
Der Druck auf die Presse nimmt weiter zu.
Die Welt driftet in Richtung eines dunkleren Ortes.
Und wo stehen wir, die Türkei, in diesem dunklen Bild?
Leider sind wir das Schlusslicht.
Wir stehen an 158. Stelle von 180 Ländern.
Dies ist nicht nur eine Statistik;
Es ist ein schmerzhafter Indikator dafür, wie sehr Gerechtigkeit, Freiheit und Wahrheit aufgeschoben wurden.
Denn wir leben in einem Land, in dem Journalisten vor Gericht gestellt, zum Schweigen gebracht und arbeitslos gemacht werden.
Wir atmen in einer Atmosphäre, in der der Journalismus kriminalisiert wird.
Wir sagen schon seit Jahren:
„Journalismus ist kein Verbrechen.“
Und leider wachen wir weiterhin jeden Morgen mit demselben Satz auf.
Aber Nachrichten zu machen, Nachrichten zu erhalten, zu denken und zu diskutieren ist der Sauerstoff einer Gesellschaft.
Wenn die Presse schweigt, wird die Gesellschaft erstickt.
Wenn die Kamera ausgeschaltet ist, wird die Gerechtigkeit unsichtbar.
Wenn die Feder bricht, geht die Wahrheit verloren.
Und wir wissen;
Wo eine Gesellschaft die Wahrheit nicht kennt, verdorren langsam Hoffnung, Zukunft und Freiheit.
Aber es gibt immer noch diejenigen, die schreiben.
Diejenigen, die wieder sprechen, auch wenn sie zum Schweigen gebracht werden,
Diejenigen, die neue Wege finden, auch wenn sie verschlossen sind,
Es gibt diejenigen, die in der Dunkelheit weiter der Wahrheit nachspüren.
Denn die Feder geht von Hand zu Hand.
Denn wenn eine Stimme verstummt, erhebt sich eine andere Stimme.
Weil die Freiheit früher oder später Mauern durchbricht.
Auch ich rufe von hier aus auf:
Pressefreiheit ist nicht nur eine Angelegenheit von Journalisten.
Die Pressefreiheit ist das Gewissen einer Gesellschaft.
Eine Gesellschaft, die die Wahrheit nicht hören kann, verliert allmählich ihre Augen und ihr Herz.
Heute ist der 3. Mai.
Es ist nicht mehr ein Tag, an dem die Pressefreiheit mit Begeisterung gefeiert wird.
Es ist ein Tag, an dem wir das Fehlen einer freien Presse stärker spüren, an dem wir sie stärker in Frage stellen.
Aber wir haben noch Hoffnung.
Denn Hoffnung lässt sich nicht durch Druck zerstören.
Weil das Licht der Wahrheit auch durch die dicksten Vorhänge nicht für immer verborgen werden kann.
Solange sich die Hände, die einen Stift halten, vermehren.
Solange unsere Worte nachhallen, bevor die Tinte getrocknet ist.
Solange jede Stimme, die zum Schweigen gebracht werden soll, tausend neue Stimmen hervorbringt.
Und lasst uns nicht vergessen:
Das Streben nach der Wahrheit ist kein Verbrechen, es ist der ehrenwerteste Zustand des Menschseins.